Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nach richterlichem Hinweis, § 67 OWiG

Das OLG Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 24.11.2022 zu dem Aktenzeichen 2 Ss-OWi 1149/22 klargestellt, dass auch nach einem richterlichen Hinweis auf möglicherweise vorsätzliches Handeln die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen noch wirksam ist.

Hieraus ergeben sich vielfältige taktische Möglichkeiten für eine erfolgreiche Verteidigung.

Verteidigung gegen den Vorwurf eines Handyverstoßes: Erfolgversprechender, als vielfach gedacht!

Gegen Handyverstöße geht der Gesetzgeber hart vor, häufig wird der Vorwurf jedoch zu Unrecht erhoben. Gemeinhin gilt die Verteidigung gegen den Vorwurf eines Handyverstoßes als schwierig, tatsächlich lassen sich jedoch entsprechende Vorwürfe mit der richtigen Taktik häufig entkräften.

In einem von Rechtsanwalt Markus Bittner vor dem Amtsgericht Linz am Rhein geführten Bußgeldverfahren konnte aktuell wieder entsprechendes erreicht und somit die Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister des Mandaten abgewendet werden.

Einsicht in die gesamte Messreihe: Neue Verteidigungsansätze

In einem aktuell vor dem AG Rüdesheim am Rhein wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung anhängigen Bußgeldverfahren, in welchem der Betroffene von Rechtsanwalt Markus Bittner verteidigt wird, hat das Gericht dem Antrag der Verteidigung stattgegeben und der Verwaltungsbehörde aufgegeben, die gesamte Meßreihe des verwendeten Geschwindigkeitsmessgeräts des Tattages einschließlich Token und Passwort herauszugeben. Das Gericht reagiert hiermit auf einen aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2022, 4 StR 181/21, aus welchem sich neue Verteidigungsansätze ergeben.

BGH-Beschluss vom 30.3.2022, Az. 4 Str 181/21: Einsicht in die gesamte Messreihe?

Das OLG Zweibrücken ist der Ansicht, dass sich aus den Rohmessdaten der gesamten Messreihe keine Anhaltspunkte für die Beurteilung der Verlässlichkeit der konkret beanstandeten Einzelmessung ergeben können.

Dem steht die Auffassung des OLG Jena entgegen, wonach es den Bußgeldgerichten aus Rechtsgründen verwehrt sei, die vom Betroffenen mit dem Auskunftsersuchen geltend gemachte Relevanz der Informationen für die Verteidigung zu überprüfen.

Aus diesem Grund hat das OLG Zweibrücken dem Bundesgerichtshof die Frage vorgelegt, ob unter diesen Umständen ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliege oder ob die Relevanz der Einsichtnahme für die konkrete Messung dargelegt werden muss.

Der Bundesgerichtshof sah den Vorlagebeschluss des OLG Zweibrücken als unzulässig an und hat das Verfahren an das OLG Zweibrücken zurückverwiesen. Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus, dass die Annahme einer in rechtlicher Hinsicht bestehenden Divergenz durch das vorlegende Oberlandesgericht auf einer nicht mehr vertretbaren Auslegung der Entscheidung des OLG Jena beruhe.

Die Entscheidung des OLG Jena sei nicht so zu interpretieren, wie dies das vorlegende OLG Zweibrücken getan habe. Daher sei der Bundesgerichtshof im Vorlageverfahren an diese Auslegung nicht gebunden.

Der Entscheidung des OLG Jena sei entgegen der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts nämlich gerade nicht zu entnehmen, dass einem Informationsverlangen eines Betroffenen ohne gerichtliche Prüfung seiner Berechtigung stets nachzukommen sei. Das OLG Jena habe vielmehr ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen, wonach dargelegt werden muss, dass der Anspruch des Betroffenen auf Zugang zu den beantragten Informationen sachlich unter anderem davon abhängig ist, dass diese Relevanz für die Verteidigung haben kann. Ob dem so ist, muss durch die befassten Bußgeldgerichte beurteilt werden.

Hieraus folgt, dass sich die Anträge auf Einsicht in die gesamte Messreihe mit der Relevanz für die Einzelmessung zumindest insoweit befassen sollten, als dargelegt wird, inwieweit die Messreihen anderer Fahrzeuge Rückschlüsse auf etwaige Messfehler in der Einzelmessung zulassen können.

Abwesenheitsverhandlung in Bußgeldsachen: Chancen für die Verteidigung

Hat das Amtsgericht den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden und erscheint der Verteidiger dann im Termin zur Hauptverhandlung nicht, darf das Amtsgericht den Einspruch nicht verwerfen, da die Voraussetzung „ohne genügende Entschuldigung“ nicht vorliegt. Das Amtsgericht hat keine andere Wahl, als „in Abwesenheit“ zu verhandeln. Hiermit sind die Amtsgerichte häufig überfordert und begehen Fehler, sodass in vielen Fällen zumindest Zeit gewonnen, mitunter sogar die Verfahrenseinstellung erreicht werden kann.

Verteidigung in Ordnungswidrigkeitenverfahren

Ordnungswidrigkeitenverfahren sind für die Betroffenen häufig von besonderer Bedeutung, da unter Umständen führerscheinrechtliche Sanktionen drohen. Obwohl Ordnungswidrigkeitsverfahren äußerst komplex und speziell sind, bieten sich der Verteidigung regelmäßig viele Möglichkeiten, zugunsten des Betroffenen auf das Verfahren einzuwirken. Dies setzt viel Erfahrung und Kenntnis der Rechtsprechung in Ordnungswidrigkeitenverfahren voraus.

Rechtsanwalt Markus Bittner bildet sich aus diesem Grund insbesondere auch auf dem Gebiet des Ordnungswidrigkeitenrechts regelmäßig fort. Allein im Monat März 2022 stehen insgesamt 11 Fortbildungsstunden an:

23.03.2022, 12:00 Uhr bis 18:30 Uhr: Fahrerlaubnis und Führerschein im Straf- und Bußgeldrecht (6 Stunden)

31.03.2022, 10:00 bis 16:45 Uhr: Verteidigung in Verkehrsstraf- und OWi-Sachen mit Blick auf Revision und Rechtsbeschwerde (5 Stunden)

Rohmessdaten der Tagesmessreihe: OLG Koblenz, Beschluss vom 1.2.2022, 3 OWi 32 SsBs 99/21

In Bußgeldverfahren werden der Verteidigung von den Verwaltungsbehörden regelmäßig nicht die Rohmessdaten der Tagesmessreihe zur Verfügung gestellt, ohne dass die Gerichte dies bislang zu einer Einstellung des Verfahrens veranlassen würde.

Das Oberlandesgericht Koblenz hat nunmehr am 1.2.2022 beschlossen, dass in einem konkreten Bußgeldverfahren, in welchem der Betroffene dennoch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden ist, die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt wird:

Darf ein in einem standardisierten Messverfahren (hier:ESO-Einseitensensor ES 3.0 – Softwareversion 1.007.2) ermitteltes Messergebnis den Urteilsfeststellungen zu einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zugrundegelegt werden, wenn zuvor dem Antrag des Betroffenen, ihm die vorhandenen Rohmessdaten der Tagesmessreihe, die nicht zur Bußgeldakte gelangt sind, zur Einsicht zu überlassen, nicht stattgegeben worden ist, oder beinhaltet dies eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 20 Abs. 3 GG) bzw. eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung des Betroffenen (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. mit § 38 Nr. 8 StPO)?

Hieraus folgt, dass bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorsorglich immer die Rohmessdaten der Tagesmessreihe angefordert werden sollten und, sollten diese der Verteidigung nicht zur Verfügung gestellt werden, die Aussetzung des Verfahrens beantragt werden sollte. Durch diese Vorgehensweise ergeben sich interessante neue Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Verteidigung.

Sobald die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorliegt, werden wir an dieser Stelle berichten.

Richtlinien für die Geschwindigkeitsüberwachung

In den einzelnen Bundesländern existieren Richtlinien für die Geschwindigkeitsüberwachung, die beispielsweise regeln, wo überhaupt gemessen werden darf.

Auch wenn diese Richtlinien nach allgemeiner Meinung keine unmittelbare Außenwirkung haben, sollen sie die Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer in vergleichbaren Kontrollsituationen sichern, sodass sie für alle mit der Verkehrsüberwachung betrauten Beamten verbindlich sind.

Da die Verkehrsteilnehmer die Erwartung hegen dürfen, dass sich die Verwaltungsbehörden über Richtlinien zur Handhabung des Verwaltungsermessens, die eine gleichmäßige Behandlung sicherstellen sollen, im Einzelfall nicht ohne sachliche Gründe hinwegsetzen, verringert sich der Handlungsunwert im Falle eines Richtlinienverstoßes, sodass unter Umständen sogar eine Einstellung des Verfahrens in Betracht kommt.

In einem aktuell vor dem Amtsgericht Alzey anhängigen Verfahren konnte Rechtsanwalt Markus Bittner unter Berufung auf einen Richtlinienverstoß die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots abwenden, nachdem die Verwaltungsbehörde im Vorverfahren neben einer Geldbuße zunächst noch ein solches verhängt hatte.

Einstellung von Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne Begründung nach beantragter Akteneinsicht

In einem von Rechtsanwalt Markus Bittner geführten Ordnungswidrigkeitenverfahren hat die Bußgeldstelle mit Schreiben vom 4.2.2022 das Verfahren „gemäß § 46 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i.V.m. § 170 der Strafprozessordnung“ und somit mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, nachdem nach Zugang der Anhörung für den Betroffenen zunächst lediglich Akteneinsicht beantragt worden ist und ohne die Bußgeldakte überhaupt zur Verfügung zu stellen. Entsprechende Verfahrensweisen der Bußgeldstellen sind häufig zu beobachten und deuten darauf hin, dass in vielen Fällen ohne hinreichenden Tatverdacht Anhörungen versendet werden. Somit sollte nach Zugang einer Anhörung oder eines Bußgeldbescheids grundsätzlich stets zumindest die Bußgeldakte zur Überprüfung angefordert werden. In vielen Fällen kann allein durch diese Vorgehensweise bereits schnell und kostengünstig eine Verfahrenseinstellung erreicht werden.

Pauschale Verdoppelung des Fahrverbots wegen vorsätzlichen Handels in Bußgeldsachen unzulässig.

Häufig verdoppeln Gerichte bei vorsätzlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen pauschal das nach der Bußgeldkatalog-Verordnung vorgesehene Fahrverbot. Das OLG Oldenburg hat mit Beschluss vom 20.4.2021, Az. 2 Ss OWi 88/21 klargestellt, dass dies unzulässig ist, da der enge gesetzliche Rahmen für die Dauer eines Fahrverbots von einem Monat bis drei Monaten zeigt, dass der Normgeber davon ausgeht, dass die beabsichtigte Wirkung als rein spezialpräventive Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme grundsätzlich schon mit einem einmonatigen Fahrverbot zu erreichen ist.

§ 23 Abs. 1a StVO: Benutzung elektronischer Geräte

Das OLG Jena hat mit Beschluss vom 13.10.2021, 1 OLG 121 SsRs 55/21 klargestellt, dass auch nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO allein das bloße Halten oder Aufnehmen eines elektronischen Geräts während des Führens eines Kraftfahrzeugs kein tatbestandsmäßiger Verstoß ist. Vielmehr muss auch weiterhin über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzu kommen. Somit bestehen insoweit auch weiterhin Ansätze für eine erfolgreiche Verteidigung.

Vertretung in Ordnungswidrigkeitenverfahren

Die Verteidigung in Ordnungswidrigkeitenverfahren bietet viele Möglichkeiten, ist jedoch schwierig und komplex und erfordert juristisches und technisches Fachwissen und Erfahrung.

Rechtsanwalt Markus Bittner verteidigt seit 1997 regelmäßig in Ordnungswidrigkeitenverfahren und bildet sich im Verkehrsrecht jährlich mindestens 15 Stunden fort.