Rohmessdaten der Tagesmessreihe: OLG Koblenz, Beschluss vom 1.2.2022, 3 OWi 32 SsBs 99/21

In Bußgeldverfahren werden der Verteidigung von den Verwaltungsbehörden regelmäßig nicht die Rohmessdaten der Tagesmessreihe zur Verfügung gestellt, ohne dass die Gerichte dies bislang zu einer Einstellung des Verfahrens veranlassen würde.

Das Oberlandesgericht Koblenz hat nunmehr am 1.2.2022 beschlossen, dass in einem konkreten Bußgeldverfahren, in welchem der Betroffene dennoch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden ist, die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt wird:

Darf ein in einem standardisierten Messverfahren (hier:ESO-Einseitensensor ES 3.0 – Softwareversion 1.007.2) ermitteltes Messergebnis den Urteilsfeststellungen zu einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zugrundegelegt werden, wenn zuvor dem Antrag des Betroffenen, ihm die vorhandenen Rohmessdaten der Tagesmessreihe, die nicht zur Bußgeldakte gelangt sind, zur Einsicht zu überlassen, nicht stattgegeben worden ist, oder beinhaltet dies eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 20 Abs. 3 GG) bzw. eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung des Betroffenen (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. mit § 38 Nr. 8 StPO)?

Hieraus folgt, dass bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorsorglich immer die Rohmessdaten der Tagesmessreihe angefordert werden sollten und, sollten diese der Verteidigung nicht zur Verfügung gestellt werden, die Aussetzung des Verfahrens beantragt werden sollte. Durch diese Vorgehensweise ergeben sich interessante neue Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Verteidigung.

Sobald die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorliegt, werden wir an dieser Stelle berichten.