Störung der Geschäftsgrundlage bei pandemiebedingter Geschäftsschließung
Der BGH hat mit Urteil vom heutigen Tage eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob bei einer coronabedingten Geschäftsschließung die Verpflichtung zur Mietzinszahlung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage entfällt.
Grundlage der Entscheidung ist die Frage, ob aufgrund der behördlich angeordneten Schließung von Einzelhandelsgeschäften im März 2020 die Mieterin eines Textilwarengeschäftes dazu berechtigt war, für den Monat April 2020 keine Miete zu zahlen.
Nachdem das Landgericht Chemnitz zunächst die Beklagte zur Zahlung des vollen Mietzinses i.H.v. 7854 € verurteilt hatte, hob das Oberlandesgericht die erstinstanzliche Entscheidung auf und reduzierte den Mietzins auf 3720,09 €.
Das Oberlandesgericht nahm somit eine Reduzierung des Mietzinses auf die Hälfte an.
Der BGH hat nunmehr entschieden, dass grundsätzlich ein Anspruch des Mieters auf Anpassung des Mietzinses nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt und somit der Diskussion, ob die Anwendung durch andere Vorschriften, z.B. der Regelungen die im Rahmen der Gesetzgebung zur Abmilderung der Folgen der COVID19-Pandemie getroffen wurden, gesperrt sein könnte, ein Ende bereitet.
Der BGH hat zudem klargestellt, dass die behördlich angeordnete Schließung nicht zu einer Mangelhaftigkeit der Mietsache führt und damit auch kein Anspruch auf Mietminderung gegeben ist.
Das oberste deutsche Zivilgericht führt dann jedoch aus, dass allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB noch nicht automatisch zu einer Vertragsanpassung berechtigt.
Vielmehr ist auf sämtliche Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere die vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung.
Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass in die einzelfallbezogene Abwägung konkret eingestellt werden muss, welche Nachteile dem Mieter tatsächlich durch die Geschäftsschließung entstanden sind.
Hierbei muss insbesondere sichergestellt sein, dass es durch die Vertragsanpassung nicht zu einer Überkompensation der entstandenen Verluste kommt, insbesondere dadurch, dass der Mieter seinerseits staatliche Hilfsleistungen erhalten hat, um seine pandemiebedingten Nachteile ausgleichen zu können.
Solche staatlichen Unterstützungsleistungen müssen bei der konkreten Berechnung der Nachteile des Mieters berücksichtigt werden. Allerdings führt der BGH aus, dass solche staatlichen Leistungen, die lediglich als Darlehen gewährt worden sind, unberücksichtigt bleiben können, da durch sie der entstandene Nachteil nur vorübergehend kompensiert wird und nicht dauerhaft.
Da im Rahmen des vom BGH zu entscheidenden Falles das Oberlandesgericht diese Abwägung nicht durchgeführt hat, sondern mehr oder weniger pauschal eine Reduzierung des Mietzinses um die Hälfte angenommen, hat der BGH das Verfahren zurückverwiesen und das OLG Dresden muss nun prüfen welche konkreten finanziellen Nachteile der Mieter in dem zu entscheidenden Fall hatte, welche Kompensation er vom Staat erhalten hat und wie eine gerechte Abwägung der Nachteile von Mieter und Vermieter zu einem sachgerechten Ergebnis führt.
Ich berate gerne Mieter und Vermieter von Gewerberäumen zu der Frage, ob im konkreten Einzelfall eine Anpassung des Mietzinses gerechtfertigt ist.