Verfahrenseinstellung bei Messverfahren Traffistar S 350 und Riegl FG 21-P?

Das OLG Saarbrücken hat mit Beschluss vom 2.11.2021, Aktenzeichen SsBs 100/2021 (68/21 OWi) festgestellt, dass es sich auch bei dem Messverfahren Riegl FG 21-P ebenso wenig wie bei dem Messverfahren Traffistar S 350 um ein faires rechtsstaatlichen Verfahren handelt, da sich eine Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes nur auf das dokummentierte Messergebnis und das Lichtbild des aufgenommenen Kfz und seines Fahrers stützen kann, da aufgrund der fehlenden Speicherung der sogenannten Rohmessdaten als Grundlagen der Messung dem Betroffenen keine nachträgliche Plausibilisierung des Messergebnisses möglich ist (Traffistar S 350) bzw. weder Messfoto noch Rohmessdaten überhaupt vorhanden sind (Riegl FG 21-P9), die eine technische Überprüfung des Meßergebnisses ermöglichen würden.

Vertretung in Ordnungswidrigkeitenverfahren

Die Verteidigung in Ordnungswidrigkeitenverfahren bietet viele Möglichkeiten, ist jedoch schwierig und komplex und erfordert juristisches und technisches Fachwissen und Erfahrung.

Rechtsanwalt Markus Bittner verteidigt seit 1997 regelmäßig in Ordnungswidrigkeitenverfahren und bildet sich im Verkehrsrecht jährlich mindestens 15 Stunden fort.

Führerschein auf Probe und führerscheinrechtliche Sanktionen

Fahranfänger, die ihre Führerscheinausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, bekommen ihren Führerschein auf Probe, die Probezeit dauert zwei Jahre. Verstöße, die im Fahreignungsregister mit Punkten bewertet werden, ziehen je nach Schwere des Delikts führerscheinrechtliche Konsequenzen nach sich. Neben der Teilnahme an einem Aufbauseminar und der Verlängerung der Probezeit droht bei abermaligen Verstößen die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Entsprechende führerscheinrechtliche Konsequenzen lassen sich in vielen Fällen insbesondere dann verhindern, wenn Jugendliche und Heranwachsende betroffen sind, da im Ordnungswidrigkeitenverfahren dann besondere Grundsätze gelten.

Aus diesem Grund sollte spätestens nach Zugang einer Anhörung oder eines Bußgeldbescheids ein entsprechend spezialisierter Fachanwalt für Verkehrsrecht konsultiert werden.

Keine standardisierte Geschwindigkeitsmessung bei Einsatz des Meßgeräts „Leivtec XV3“

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mit Beschluss vom 12.8.2021, Az. 202 ObOWi 880/21 festgestellt, dass bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät „Leivtec XV3“ jedenfalls gegenwärtig nicht von einem die Anerkennung als „standardisiertes Messverfahren“ rechtfertigenden vereinheitlichten technischen Verfahren ausgegangen werden kann, bei dem die Bedingungen seiner Anwendung und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.

Dies folgt aus Überprüfungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, wonach es bei Geschwindigkeitsmessungen mit diesem Messgerät zu unzulässigen Messwertabweichungen auch zu Ungunsten Betroffener unter anderem wegen des Auftretens sogenannter Stufeneffekte bzw. Stufenprofil-Fehlmessungen kommen kann.

Gegebenenfalls bedarf es sachverständiger Unterstützung, um zu überprüfen, ob es bei entsprechenden Geschwindigkeitsmessungen zu unzulässigen Messwertabweichungen zuungunsten des Betroffenen gekommen sein kann.

Bloßes Schieben kein Führen des Fahrrads im Straßenverkehr

Das Landgericht Freiburg hat in seinem Urteil vom 26.10.2021 – 11/21 10 Bs 530 Js 30832/20 – entschieden, dass das Schieben eines Fahrrads nicht als Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr gemäß § 316 StGB anzusehen sei.

Sich betrunken zu Fuß im öffentlichen Verkehrsraum zu bewegen sei folglich auch dann nicht strafbar, wenn dabei ein Fahrrad geschoben werde.

Gegen den Angeklagten A erging Strafbefehl. A sei an einem Morgen im August 2020 um 06:30 Uhr mit dem Fahrrad auf einer Straße gefahren, obwohl er aufgrund vorherigen Alkoholkonsums fahruntüchtig gewesen sei. Deshalb sei er auf die Fahrbahn gestürzt. Auf den Einspruch des A verurteilte ihn das Amtsgericht nach erfolgter Beweisaufnahme entsprechend dem Tatvorwurf wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen. Dagegen legte A fristgerecht Berufung ein.

Das Landgericht hob das Urteil des Amtsgerichts auf und sprach A aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen frei.

Neue Radarbrücke am Elzer Berg geht am 11.11.2021 in Betrieb!

Am Elzer Berg auf der A3 bei Limburg wird vom heutigen Donnerstag an wieder geblitzt, die 1,1 Millionen Euro teure neue Radarbrücke geht in Betrieb. Somit wird dort wieder rund um die Uhr das Tempo überwacht, nachdem die alten Messbrücken im August 2019 abgeschaltet und kurz danach auch abgebaut worden sind.

Die erfassten Verstöße werden nicht mehr regelmäßig an der Brücke ausgelesen, sondern automatisiert der Autobahnpolizei zur Sachbearbeitung übermittelt.

Solange keine hinreichenden Erfahrungen mit der neuen Messbrücke bestehen, sollten alle Messungen von einem Spezialisten überprüft werden.

Bitte sprechen Sie uns an, wir sind gerne für Sie da.

Alkohol am Steuer: Ohne Ausfallerscheinung droht MPU bereits ab 1,1 Promille

Die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) soll klären, ob jemand, der betrunken gefahren ist, in Zukunft verantwortungsvoll ein Auto führen kann und seinen Führerschein zurückerhält. Bislang war eine MPU nach einer Fahrt mit 1,6 Promille oder mehr erforderlich. Fahrern, die mit 1,1 bis 1,59 Promille unterwegs waren, drohte eine MPU nur, wenn bestimmte weitere Auffälligkeiten dazukamen, wie etwa, dass sie bereits mittags alkoholisiert waren.

Künftig ist das auch bei Menschen der Fall, die bei der Kontrolle trotz der hohen Blutalkoholkonzentration keine oder kaum alkoholbedingte Ausfallerscheinungen wie Torkeln oder Lallen zeigen. Denn nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann dann von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung ausgegangen werden, und die Behörden müssen annehmen, dass der Betroffene regelmäßig viel trinkt und dass auch künftig tun wird. Dann besteht die Gefahr, das er auch betrunken Auto fährt. Das Fehlen der alkoholbedingten Ausfallerscheinungen bei der ersten Trunkenheitsfahrt muss festgestellt und dokumentiert werden. Die dadurch hervorgerufenen Zweifel an der Fahreignung muss die Verwaltungsbehörde dann mit mithilfe eines medizinisch-psychologischen Gutachtens klären. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 17.3.21 entschieden (Aktenzeichen3 C 3.20).

Im vorliegenden Fall war ein Mann mit 1,3 Promille im Blut von der Polizei gestoppt worden. Er zeigte keinerlei alkoholbedingte Ausfallerscheinungen, ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Als er deren Neuerteilung beantragte, fordert die zuständige Behörden ihn auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, das klärt, ob er zukünftig trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch ein Fahrzeug sicher führen könne und nicht zu erwarten sei, dass er unter Alkoholeinfluss fahren werde. Weil der Mann ein solches Gutachten nicht vorlegte, lehnte die Behörde den Neuerteilungsantrag ab. Daraufhin klagte der Mann. Der Prozess ging durch mehrere Instanzen, bis nun das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass es rechtens war, dass die Behörde eine MPU gefordert hatte. Denn bei Menschen, die sich aufgrund ihres Trinkverhaltens sehr an Alkohol gewöhnt haben, besteht eine erhöhte Rückfallgefahr. Ihre Giftfestigkeit führt unter anderem dazu, dass die Betroffenen die Auswirkungen ihres Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen können.

Aus dieser aktuellen Rechtsprechung, die einen Paradigmenwechsel darstellt, folgt, dass es künftig noch wichtiger ist, bereits unmittelbar nach einer Trunkenheitsfahrt fachanwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich sowohl im Ermittlungsverfahren verteidigen als auch im Verwaltungsverfahren vertreten zu lassen.

Bereits bei einmaliger Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,1 Promille kann eine MPU angeordnet werden!

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in seinem Urteil vom 17.03.2021 unter dem Az.: 3 C 3.20 entschieden, dass bereits nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,1 Promille eine MPU angeordnet werden kann. Dies sei dann möglich, wenn der Betroffene keinerlei alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeige.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger geriet in eine Verkehrskontrolle. Besondere Ausfallerscheinungen zeigten sich weder in seiner Fahrweise noch in seinem Verhalten bei der Kontrolle. Trotzdem hatte die Polizei den Verdacht von Alkoholkonsum und ordnete eine Blutprobe an. Diese ergab 1,3 Promille. Der Kläger war bisher ein unbeschriebenes Blatt im Straßenverkehr.

Es erging ein Strafbefehl mit einer Geldstrafe. Zudem wurde die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 9 Monaten angeordnet.

Nach Ablauf der Sperrfrist beantragte der Kläger eine neue Fahrerlaubnis. Die Behörde wollte aber den Alkoholkonsum des Klägers überprüfen und ordnet eine MPU an.

Dagegen erhob er Klage zum Verwaltungsgericht.

Die Anordnung einer MPU bei Alkoholproblematik regelt § 13 FeV. Danach kann eine MPU angeordnet werden, wenn

· Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen

· wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden

· ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille geführt wurde

Bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Wert unter 1,6 Promille wird regelmäßig keine MPU angeordnet. Dennoch verlangte die Behörde hier eine MPU.

Die Gerichte urteilten unterschiedlich. Das Verwaltungsgericht gab der Behörde recht. In zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof bekam dann der Kläger recht.

Die Revision der Behörde führte schließlich dazu, dass das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufhob und das Urteil der ersten Instanz wiederherstellte.

Begründet wurde dies damit, dass der Kläger trotz 1,3 Promille keinerlei alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigte. Dies spreche für eine starke Alkoholgewöhnung in der Vergangenheit, so dass ein Alkoholmissbrauch naheliege. Nebenbei bemerkte das Gericht, dass schon bei 1,1 Promille von einer Alkoholgewöhnung ausgegangen werden könne.

Knapp 5 Jahre dauerte der Rechtsweg. Nun muss der Kläger eine positive MPU beibringen, um eine neue Fahrerlaubnis zu erhalten.

Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV 3: Vorläufig keine amtlichen Messungen mehr!

Bereits im vergangenen Jahr wurde bei Testmessungen festgestellt, dass es unter bestimmten Umständen zu unzulässigen Messabweichungen zu Lasten des Betroffenen kommt. Daraufhin wurde die Gebrauchsanweisung des Herstellers durch einen Nachtrag vom 14.12.2020 mit neuen Regeln für die Auswertung von Messfotos versehen und genehmigt. Danach muss nunmehr bei einer Messung ein zweites Foto vorhanden sein, dass bestimmte Teile des Kennzeichens des Fahrzeugs zeigt. Bei Messungen von einer Brücke herunter muss das komplette Kennzeichen zu sehen sein. Messungen, die diese Kriterien nicht erfüllen, waren nach der neuen Gebrauchsanweisung ausdrücklich nicht mehr verwertbar.

Trotz des oben angeführten Nachtrags zur Bedienungsanweisung kam es auch bei weiteren Versuchen von Sachverständigen zu Fehlmessungen in bestimmten Szenarien. Der Hersteller hat inzwischen reagiert und mit Datum vom 12.3.2021 die Verwender des Messgeräts angewiesen, keine Messungen mit dem Gerät mehr durchzuführen, bis die technischen Fragen geklärt sind.

Bitte sprechen Sie uns an, sollten Sie von einer Messung mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 betroffen sein und wir für Sie darauf hinwirken sollen, dass das Verfahren durch die Verwaltungsbehörde oder das Gericht eingestellt wird.

„Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung in Verkehrsstrafsachen und Verkehrsordnungswidrigkeiten“

Rechtsanwalt Markus Bittner nimmt am 17.04.2021 an der sechsstündigen Fortbildungsveranstaltung der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz im Verkehrsrecht „Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung in Verkehrsstrafsachen und Verkehrsordnungswidrigkeiten“ teil. Referent ist unter anderem Dr. Benjamin Krenberger, Richter am Amtsgericht Landstuhl.

Themen sind unter anderem die Akteneinsicht, das standardisierte Messverfahren,Verjährung und sonstige Einstellungsgründe, das Verfahrensrecht, die wichtigsten Tatbestände des Verkehrsstrafrechts, Tötungsdelikte im Straßenverkehr sowie illegale Straßenrennen, Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis, effektive Verteidigung bei vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis, aktuelle verfahrensrechtliche Fragen, Spontanäußerungen und mangelhafte Belehrungen, die Vernehmung des Beschuldigten und die Täteridentifizierung.

Haarbürste statt Handy am Steuer? Amtsgericht Frankfurt am Main verhängt Geldbuße

In einer Polizeikontrolle wurde ein Busfahrer dabei fotografiert, wie er sich einen Gegenstand ans Ohr hielt. Die Behauptung desselben, er habe sich eine Haarbürste ans Ohr gehalten und damit seinen Bart gekämmt, sei nicht glaubhaft, entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 16.06.2020 unter dem Aktenzeichen: 971 Owi 363 Js 72112/19.

Die Behauptung des Busfahrers sei nicht glaubhaft.

Das Gericht nahm die Haarbürste in der Hauptverhandlung in Augenschein und stellte fest, dass die Bürste eine „geschwungene, zu den Ecken hin abgerundete Form“ aufweise. Der Gegenstand auf den Fotos sei aber rechteckig.

Das Gericht setzte eine Geldbuße in Höhe von 180 Euro fest. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Entscheidung zu „Rohmessdateien“

Das Bundesverfassungsgericht hat beschlossen, dass Betroffenen im Bußgeldverfahren der Zugang auch zu nicht in der Akte befindlichen Informationen ermöglicht werden muss.

Zwar müsse bei standardisierten Messverfahren nicht jedes Mal die Richtigkeit der Messung überprüft werden, der Zugang der Betroffenen zu nicht in den Akten befindlichen Informationen müsse jedoch gewährleistet werden. Dies gelte vor allen Dingen für Rohdateien der Messgeräte, die bislang nicht immer eingesehen werden durften (BVerfG Beschl. v. 12.11.2020, Az. 2 BvR 1616/18).

Das Gericht gab damit einer Verfassungsbeschwerde statt, die den Zugang zu Informationen im Bußgeldverfahren betraf, die nicht Teil der Bußgeldakte waren. Das BVerfG entschied nun, dass die vorangegangenen Entscheidungen den Fahrer in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzen.

Das Recht auf Informationszugang gelte jedoch nicht unbegrenzt. Um eine uferlose Ausforschung und Verfahrensverzögerungen zu verhindern, müssten die begehrten Informationen daher zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen.