Vorschäden in der Unfallregulierung
Häufig wenden Kfz-Haftpflichtversicherer nach Verkehrsunfällen im Rahmen der Regulierung des Sachschadens ein, dass zum Unfallzeitpunkt Vorschäden am Kraftfahrzeug des Geschädigten vorhanden waren und nehmen dies zum Anlass, die Schadensregulierung ganz oder teilweise zu verweigern.
Dabei kann nicht verkannt werden, dass der Geschädigte darlegen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 ZPO nachweisen muss, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt oder zumindest ein abgrenzbarer Teil hiervon auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist, wenn das Fahrzeug in einem vorgeschädigten Bereich erneut und deckungsgleich beschädigt wird und die Unfallursächlichkeit der geltend gemachten Schäden deshalb streitig ist. Der Geschädigte muss grundsätzlich darlegen und gegebenenfalls auch nachweisen, welche eingrenzbaren Vorschäden an dem Fahrzeug vorhanden waren und durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen diese zeitlich vor dem streitgegenständlichen Unfall fachgerecht beseitigt worden sind.
Allerdings dürfen bei der Bemessung der dem Geschädigten obliegenden Substantiierungslast zu Art und Ausmaß des Vorschadens und zu Umfang und Güte der Vorschadensreparatur die Anforderungen nicht überspannt werden. Sogar das Verschweigen von Vorschäden führt grundsätzlich nicht zu einem Anspruchsausschluss nach § 242 BGB, da die Versagung nachweislich bestehender Ansprüche in dem gesetzlichen Regime des materiellen bürgerlichen Rechts quasi als Nebenstrafe nicht vorgesehen ist (so jedenfalls OLG Hamm, Urteil vom 22.01.2022, 9 U 46/21)
Häufig werden auch Vorschäden aus einem Zeitraum behauptet, in welchem der Geschädigte noch nicht Eigentümer des Fahrzeugs war und behauptet, dass Fahrzeug anschließend in unbeschädigtem Zustand erworben zu haben. In einem solchen Fall ist der Geschädigte grundsätzlich nicht gehindert, die von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen. Darin kann weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis gesehen werden (BHG, Beschluss vom 15.10.2019, VI ZR 377/18).